Tomb Raider: Ein mutiger Neustart oder nur Uncharted mit Lara?

Mitte der 90er war Lara Croft das Gesicht des Gamings. Egal, ob man selbst ein Gamepad in der Hand hielt oder nicht – jeder kannte die toughe Archäologin mit den Pistolen im Halfter. Für viele war sie mehr als eine Spielfigur; sie war eine Ikone. Mit insgesamt zehn Hauptspielen, etlichen Handheld-Ablegern und sogar einem Auftritt im Playboy war Lara Croft allgegenwärtig. Doch die Zeiten änderten sich, und mit ihnen auch die Erwartungen an Spiele. Jetzt, 2013, wagt sich Crystal Dynamics mit einem Reboot an eine modernere Version der Abenteuerheldin – und ich war sehr gespannt, wie das ausgeht.

Die ersten Trailer zum neuen «Tomb Raider» haben mich direkt neugierig gemacht. Diese junge, verletzliche Lara war ein völliger Bruch mit dem Bild, das ich von ihr hatte. Nicht mehr die unerschütterliche Actionheldin, sondern ein Mensch aus Fleisch und Blut, mit Angst und Zweifeln. «Wie wurde Lara zu der Figur, die wir kennen?» – genau diese Frage soll das Spiel beantworten. Klingt spannend, oder? Aber wie sieht es in der Praxis aus?

Eine Insel voller Gefahren – und ein Kult, der Gänsehaut verursacht

Das Spiel beginnt direkt mit einem Paukenschlag: Lara ist Teil eines Expeditionsteams auf der Suche nach einer legendären Insel im sogenannten Drachendreieck. Natürlich läuft alles schief – ein gewaltiger Sturm lässt das Schiff zerschellen, und Lara strandet, getrennt von ihrer Crew, auf einer mysteriösen Insel. Dort trifft sie auf eine Gruppe Kultisten, die mehr als nur gefährlich wirken. Die Atmosphäre ist bedrückend und bedrohlich, und ich fühlte mich sofort mitten im Überlebenskampf.

Lara Croft steht bei Nacht in einem Sturm mit einer brennenden Fackel. Im Hintergrund ist eine wolkenverhangene Mondlandschaft zu sehen, während Regen und Wind die Szene beherrschen.
Lara trotzt dem Sturm: Mit einer Fackel sucht sie verzweifelt nach einem Unterschlupf in einer unbarmherzigen Nacht.

Crystal Dynamics versucht hier, eine verletzliche und ängstliche Lara zu zeigen, die in eine tödliche Situation geworfen wird. Und das funktioniert – zumindest teilweise. In den Zwischensequenzen wirkt Lara glaubwürdig: Sie zittert, fleht um Hilfe und hadert mit den Konsequenzen ihrer Handlungen. Aber sobald man selbst den Controller in die Hand nimmt, verwandelt sich diese Lara in eine gnadenlose Kämpferin, die ohne mit der Wimper zu zucken Dutzende Gegner erledigt. Es ist schon ein merkwürdiger Moment, wenn Lara in einer Szene beim Erlegen eines Rehs beinahe Tränen in den Augen hat, nur um wenige Minuten später mit Pfeil und Bogen eine Armee von Kultisten niederzustrecken.

Uncharted lässt grüssen – aber ist das schlecht?

Man merkt dem Spiel an, dass sich Crystal Dynamics viel bei «Uncharted» abgeschaut hat. Von der Inszenierung der Kämpfe über die filmreifen Actionsequenzen bis hin zur Struktur der Level – der Einfluss von Naughty Dog ist unverkennbar. Aber ist das schlimm? Nicht unbedingt. «Tomb Raider» findet dennoch seine eigene Identität. Besonders das Crafting-System hat mir gut gefallen: In Camps kann Lara ihre Waffen verbessern, neue Fähigkeiten freischalten und gesammelte Ressourcen nutzen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Das motiviert ungemein, jede Höhle und jeden Winkel der Insel zu erkunden.

ara Croft in einer akrobatischen Szene, wie sie von einer Felskante zur nächsten springt, während sie sich mit letzter Kraft an der Kante festzuhalten versucht.
Klassische Akrobatik: Lara springt waghalsig von einer Kante zur nächsten – eine ihrer ikonischen Bewegungen.

Die optionale Suche nach verborgenen Gräbern war für mich eines der Highlights. Diese kleinen Nebenaufgaben sind wie Hommagen an die alten «Tomb Raider»-Spiele: Hier geht es nicht um Kämpfe, sondern um cleveres Rätseln und Geschicklichkeit. Und die Belohnungen – neue Ausrüstung oder Ressourcen – machen den Aufwand lohnenswert.

Eine Welt voller Details – und ein bisschen Over-the-Top

Die Insel selbst ist ein visuelles Highlight. Von dichten Wäldern über verlassene Bunker bis hin zu Tempelruinen – jede Umgebung hat ihren eigenen Stil und lädt zum Erkunden ein. Die Gegner sind abwechslungsreich, wenn auch etwas klischeehaft: Kultanhänger, mystische Tempelwächter und gepanzerte Schergen machen Lara das Leben schwer. Und dann ist da noch die deutsche Synchronisation: Nora Tschirner als Lara Croft war anfangs eine ungewohnte Wahl, aber nach ein paar Stunden empfand ich ihre Stimme als eine erfrischende Abwechslung.

Lara Croft steht in einer dunklen Höhle, die nur von dem warmen Licht ihrer Fackel erleuchtet wird. Die Höhlenwände wirken bedrohlich und geheimnisvoll.
Die Dunkelheit erhellen: Mit einer Fackel bahnt sich Lara ihren Weg durch eine geheimnisvolle Höhle.

Mein Fazit: Ein gelungener Neustart mit kleinen Schwächen

«Tomb Raider» hat mich überrascht – positiv, aber auch mit ein paar Fragezeichen. Die Mischung aus packender Action, cleverem Crafting und einer optisch beeindruckenden Welt macht das Spiel zu einem grossartigen Reboot. Dennoch hat mich der Widerspruch zwischen Laras Verletzlichkeit in der Story und ihrer gnadenlosen Effizienz im Gameplay immer wieder aus der Immersion gerissen.

Trotzdem: Für mich ist «Tomb Raider» der Beweis, dass Lara Croft immer noch relevant ist. Die neue Ausrichtung funktioniert, auch wenn sie noch nicht perfekt ist. Wenn Crystal Dynamics diesen Ansatz weiterentwickelt, sehe ich eine goldene Zukunft für die Serie. Und jetzt entschuldigt mich – ich muss noch ein paar Gräber erkunden.

Comments

Schreiben Sie einen Kommentar

Ihre E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert